Mittwoch, 11. Juli 2007

Türken und Griechen

 








Gestern sind wir bei Maria und Dieter in Kaminia angekommen, Marias Heimatdorf. Der Ort liegt in Achaja, dem nordöstlichen Teil der Peloponnes. Achaja kommt häufig im Neuen Testament vor, damals wohl als Bezeichnung für das gesamte Gebiet um Korinth herum. Heute ist es eine Art Landkreis, ein „Nomos“ der Peloponnes. Von diesen Verwaltungsbezirken gibt es sieben. Die meisten haben klangvolle Namen wie Arkadien, Argolis und Elis. In unserem Achaja ist Patras die größte Stadt. Sie liegt am Übergang von der Adria, besser gesagt dem Ionischen Meer, in den Golf von Korinth.

Auf dem Weg sind wir durch Tripolis gekommen, der in der Mitte des Landes gelegenen früheren türkischen Hauptstadt der Peloponnes. Die Türken wurden nach einer fast 400 Jahre währenden Herrschaft mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts nach und nach aus Griechenland verdrängt, dabei haben sie im Kampf um Tripolis die Stadt im Jahre 1828 vollständig zerstört.

Die Türken haben Griechenland in den Jahren seit der Eroberung um das Jahr 1450 herum nach meinem Eindruck sehr geprägt, auch wenn ihre Herrschaft immer wieder durch Phasen anderer Herrschaften, etwa der venezianischen, in Teilen des Landes, unterbrochen wurde. Vermischt haben sie sich nicht miteinander, jedenfalls meint man in den Straßen einen Typ von Menschen zu treffen, der in Tripolis und Nauplia anders ist als in Istanbul. Auch wenn es keine göttergleichen Jünglinge und Jungfrauen mit dem „klassisch griechischen“, Stirn und Nase zu einer einzigen Linie verbindenden Profil sind, wirken sie doch insgesamt als ein deutlich von den anderen Bewohnern des europäischen Mittelmeers, etwa den Spaniern oder Italienern, aber besonders von den Türken unterscheidbarer Typus.

Trotzdem haben sie auch etwas mit den Türken gemeinsam. Das ist nicht nur ihre an die sommerliche Gluthitze angepaßte Lebensart, es ist auch ihre Küche, die offenbar eine über den östlichen Mittelmeerraum in der Zeit der Sultansherrschaft entwickelte Gemeinschaftsküche ist, es ist die klagende, halbtonreiche Musik, die wir auf der Fahrt im Radio hören. Vielleicht wäre es für den Frieden in Europa wenn nicht in der Welt besser, wenn die gemeinsame konfliktreiche Geschichte der beiden Länder einmal unter dem Gesichtspunkt der Gemeinsamkeiten neu erzählt werden könnte.

Das alte Weltreich des Sultans in Istanbul hat den beherrschten Völkern nicht nur Nachteile gebracht, es war vermutlich eine große Freihandelszone mit überall gleicher Währung, gleichen Maßen, Gewichten und Gesetzen, und die Griechen konnten genauso wie heute in der EU ihre Korinthen zu guten Preisen in die ganze Welt liefern. Außerdem - wenn die Griechen es fremden Völkern übelnehmen wollen, daß sie ihnen die nationale Freiheit vorenthalten haben, müssen sie bei den Mazedoniern anfangen, die 338 v. Chr. die Athener besiegt und eine Periode der Fremdherrschaft begonnen haben, die über die Zeit der Römer, der Goten und Vandalen, der Slawen, Kreuzfahrer, verschiedener Italiener und Franzosen erst ganz am Ende in der Herrschaft der Türken endete.

Nationale Souveränität ist ein Gedanke der modernen Zeit, und es war ein Zufall, daß gerade die Türken im Lande waren, als er auch in Griechenland erwachte. Er läßt sich am besten in den großen übernationalen Zusammenschlüssen ausleben und sichern. Deshalb wage ich die kühne Behauptung, daß es im Interesse auch der Griechen ist, die Türken nicht nur als Mitglieder der NATO zum Nachbarn zu haben, sondern auch als Mitglieder der EU.

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