Freitag, 13. Juli 2007

Germanos

 

Wenn man von Patras etwa 30 km weit südlich ins Bergland der Peloponnes fährt, kommt man in das auf einer Höhe von fast 1000 m gelegene schöne Kloster Agia Lavra. Dort wurde am 25. März 1821 eine Sitzung der Stammesführer der Peloponnes abgehalten, in deren Verlauf der Bischof von Patras ganz Griechenland zum Kampf gegen die Türken aufrief und die griechische Fahne segnete. Der bewaffnete Aufruhr war zwar bereits einige Zeit im Gange, aber der Tag von Agia Lavra gilt trotzdem als die Geburtsstunde des modernen griechischen Staates. Der 25. März wird deshalb heute als Nationalfeiertag begangen.


Ich stehe mit gemischten Gefühlen vor der eisernen Statue des Bischofs, der Germanos hieß und von 1771 bis 1826 lebte. Er hat den langen Bart und runden Hut der orthodoxen Popen, deren äußere Würde und deren Autorität ja von anderen christlichen Geistlichen gleich welcher Art kaum je erreicht werden. Auf der Fahne, die er hochhält, steht „Eleftheria E Thanatos“, Freiheit oder Tod. Das hört sich gewaltig an, ist aber eine Alternative, wie ich sie mir von einem kirchlichen Hirten ungern vorlegen lassen würde.

Es war im Ergebnis eine eher wacklige Sache, die Germanos damals betrieb, denn der Tod der einen brachte den anderen nicht unbedingt die Freiheit, die man ihnen verheißungsvoll vor die Augen gehalten hatte. Ein gefährdetes Staatsgebilde mit großem Flüchtlingselend im Inneren und mit einer schwierig aufrecht zu haltenden äußeren Stabilität, die sehr vom Spiel der ausländischen Kräfte abhing - für so etwas wird man nachträglich gesehen nicht gerne zum Sterben geschickt, und vielleicht am wenigsten noch von einem Bischof wie Germanos einer war.

Wenige Kilometer unterhalb von Agia Lavra ist eine weitere Gedenkstätte, deren Geschichte eine Frauenstimme erzählt, die aus einem Lautsprecher über den Platz hallt. Auch hier ist das Wort „Germanos“ häufig zu hören, aber es bezeichnet diesmal die Deutschen, die oberhalb der Stadt Kalavitra im Dezember 1943 mehr als 600 griechische Männer vor einen Berghang trieben und erschossen. Partisanen hatten zuvor etwa 60 deutsche Soldaten bei einem Angriff getötet, und die Deutschen machten hier wie anderswo ihre Ankündigung wahr, man werde solche Angriffe im Verhältnis eins zu zehn vergelten. Grausam ist das Schicksal der Männer, die hier starben, unter ihnen Jungen von nur 12 Jahren, deren Namen auf großen ernsten Betonwänden verzeichnet sind.

Auch mit ihrem Tod verbindet man die Frage, ob er nicht von einem besseren Menschenhirten zu verhindern gewesen wäre. Die Deutschen waren Ende 1943 längst über den Höhepunkt ihrer Macht und auf dem Weg aus Griechenland heraus, nicht unähnlich den Türken von 1821. Welchen Vorteil brachte es, sie mit Partisanenaktionen zu reizen?

Freiheit oder Tod, man wünscht sich, niemals diese Frage gestellt zu bekommen. Helmuth Schmidt hat auf dem Höhepunkt der Abrüstungsdebatte in den 70er Jahren auf die Frage einer Frau, was er denn täte, wenn er vor die Alternative „Rot oder tot?“ gestellt würde, gesagt: „Gnädige Frau, ich habe mein Leben lang dafür gearbeitet, nicht vor diese Alternative gestellt zu werden.“ Das ist ein gutes Wort. Und es ist ein Glück, in Zeiten zu leben, wo es den Politikern möglich ist, danach handeln zu können.

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