Donnerstag, 5. Juli 2007

Leichtigkeit des Seins

 


Unter dem großen grünen Strauch neben unserem Zimmer im Hotel „Athéaton“ in Nauplia liegen Zitronen, als Fallobst. So verschwenderisch ist hier die Natur. Nauplia liegt in der Bucht, die sich zwischen Daumen und Zeigefinger des oder der (beide Varianten möglich) vierfingrigen Peloponnes öffnet, des Golfes von Argos. Es ist so heiß hier, daß man um 10 Uhr am liebsten alle Aktivitäten einstellen und sie erst frühestens um 18 Uhr wieder aufnehmen möchte. Selbst das Schwimmen im warmen blauen Wasser erscheint mir angesichts der prallen Sonne, der man sich dabei zwangsläufig aussetzt, eine gefahrvolle Tätigkeit zu sein.

Anders als die meisten Deutschen kenne ich Urlaub unter Mittelmeerbedingungen praktisch schon lange nicht mehr, Holland ist dafür zu sehr unser Leib- und Magenferienort gewesen. Beim ersten Gang zum Badestrand des Ortes wird mir bewußt, daß ich jetzt in eine Welt eintrete, von der mir meine Nachbarn und Arbeitskollegen nach ihrem Urlaub immer erzählen, wie schön sie ist. Ich glaube zu verstehen, was sie in dieser Welt suchen: die Erfahrung einer gewissen Leichtigkeit, wenn der Körper vom Tragen schwerer Schuhe und mehrerer Lagen gewebten Materials befreit ist und sich unmittelbar einer schmeichlerisch warmen Luft aussetzen kann.

Auch die Erfahrung der Körperlichkeit anderer Menschen gehört zu dieser Welt, sowohl der Anblick der alten Männer mit ihren vorgewölbten Leibern (sind sie wie ich?) als auch der jungen Bikinimädchen, deren Körper alle eine geheime Botschaft tragen. Ich weiß, ich langweile den Leser mit diesem Dauermotiv von den geheimen Botschaften, das ich ja schon bei den Schleierfrauen in Istanbul eingeführt habe, ich weiß auch, daß die Botschaften nicht für mich bestimmt sind – und trotzdem: die Welt von Oleander und Hibiskus, von ewiger Jugend und ewiger Schönheit heißt einen hier ohne Einschränkungen willkommen, und die warme Luft, von der ich schon sprach, umfängt einen in einem Maße, daß man sich in diese Welt vollkommen einbezogen fühlt.

Gut, daß am Badestrand keine Spiegel hängen. So kann man für einige Zeit in der Illusion leben, einer der ewig-jugendlichen Bürger dieser Welt zu sein.

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