Sonntag, 8. Juli 2007

Kuppelbauten

 

Die Kirchen hier in Griechenland haben fast allesamt Kuppeln und sind dadurch den Moscheen der Türken nicht unähnlich. Ich las vor vielen Jahren bei Ernst Badstübner, daß die Kuppelbauten einen von zwei grundlegenden Wegen des Kirchenbaus beschreiten, den Weg des Zeltes der Versammlung. In runden Bauten erfährt sich die versammelte Gemeinde als Einheit. Den anderen Weg zeigt der schlanke, lange Bau der Basilika auf. Dort erfährt sich die Gemeinde als auf ein Ziel, eine Erkenntnis, eine Offenbarung hin ausgerichtet.

Wie alle prinzipiellen Unterscheidungen hat auch diese den Reiz einfacher, sofort nutzbarer Einsichten. Man legt die Meßlatte des Grundsatzes an das an, was man sieht, und siehe, es wird erklärbar. Hier am Ort merke ich aber auch, was an der Theorie zu einfach ist und deshalb nicht stimmt. Die Kuppel der hiesigen Hauptkirche Agios Giorgios wölbt sich dunkel und majestätisch über einem Raum, der salopp gesagt zur Kuppel gehört wie die Kaffeedose zum Deckel, anderseits aber die Kuppel gar nicht wahrzunehmen scheint. Zentrales Element des Raumes ist die große Ikonenwand, mit silbernen Säulen, Stockwerken und Fenstern, aus denen unzählige Heilige schauen. Sie beherrscht den Raum und nimmt der Kuppel einen großen Teil ihrer Wirkung.




Wenn dies also kein runder Versammlungsort sondern eher eine eckige, wenn auch nicht schlanke sondern quadratische Basilika mit klarer Ausrichtung nach vorne ist, wozu dient dann die Kuppel? Ich habe aus eigener Anschauung zwei Erklärungen.

Die eine ist: sie ist eine Art innerer Kirchturm. So wie die Türme „weströmischer“ Kirchen ein beständiger Hinweis auf den Wohnort Gottes waren, so sind es auch die Kuppeln. Auch sie zeigen nach oben. Ihre Botschaft ist zwar etwas sanfter, weil ja die Spitze fehlt, dafür ist sie aber, anders als bei den Türmen, von außen und von innen erfahrbar.

Die andere Erklärung lehnt sich an den Gedanken der Kaffeedose an – oder etwas festlicher an die Anschauung der kleinen Metall-„Kuppeln“, die in feinen Restaurants vor dem Servieren auf die Teller gesetzt werden und vom Kellner am Tisch dann mit geübtem Schwung abgedeckt werden. So fein wie das so dargebotene Essen ist auch der Inhalt von dem, was unter der Kirchenkuppel verschlossen ist, könnte die Botschaft der Wölbung sein.


Das ewige Vorbild dieser Kirchen, die Hagia Sophia, hatte eine besonders feine Kuppel. Die Menschen damals haben gesagt, sie wirke so leicht und schwebend, als sei sie am Himmel aufgehängt. Vielleicht kommt dieser Eindruck zurück, wenn die derzeit laufenden Renovierungsarbeiten an der Kuppel abgeschlossen sind. Jedenfalls könnte die noble, mathematisch perfekte Gestalt der Kuppel meine Kaffeedosen-Theorie unterstützen: hier wird etwas besonders Wertvolles verwahrt.

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